Ein spannendes Jahr ist zu Ende gegangen, und ein mindestens ebenso spannendes hat gerade begonnen: angefangen von den Gemeinderatswahlen über die Abstimmungen, die anstehen, wird es schon politisch interessant, da sehr grundlegende Weichen gestellt werden.
Es stehen aber auch handfeste Ereignisse an, die in unserer Gemeinde sicherlich zu reden geben werden: die Erhöhung der Anzahl von Asylanten, die die Baselbieter Gemeinden, und damit auch wir, aufnehmen müssen, deren Unterbringung, deren Integration in unseren Alltag. Der Zivilschutz wird seinen Betrieb im ehemaligen Feuerwehrmagazin im Werkhof aufnehmen. Der Werkhof wird, wenn alles nach Plan geht, eine Photovoltaik-Anlage erhalten und damit sowohl Maschinen und Büros, aber auch die Ladestation für Elektrofahrzeuge mit umweltfreundlichem Sonnenstrom versorgen. In der Schule werden einige Neuerungen auf die Kinder, die Lehrkräfte und die Eltern zukommen. Und viele von uns schauen auch mit etwas Sorge in die wirtschaftliche Zukunft, nicht nur die der Gemeinde, sondern auch die private: wird es unseren Unternehmen, unseren Arbeitgebern, ihren Kunden weiterhin gut gehen? Wie wird sich der Franken entwickeln? Wie die Steuerlast, wie die Absatzmärkte?
Auch wenn viele Vorkommnisse weit weg stattfinden mögen, oder wenn wir sowieso keinen Einfluss darauf zu haben scheinen: sie betreffen uns oft sehr direkt. Manchmal unmittelbar, wenn es z.B. konkrete Gesetzesänderungen wie die der Asylantenzahlen sind, manchmal nur indirekt, dafür oft existentieller, wie die Franken-Aufwertung oder die Flüchtlingsproblematik.
Und so können wir in Röschenz zwar keinen Krieg in Syrien beenden oder den Franken erfolgreich abwerten, wir können uns jedoch frühzeitig auf mögliche Folgen vorbereiten. Denn „negativ“ sind Dinge in der Regel vor allem dann, wenn sie einen kalt erwischen, unvorbereitet (über die wirklich positiven Dinge muss man sich kaum Gedanken machen, die verkraftet man in der Regel besser).
Alleine die Tatsache, mögliche Szenarien bereits im Kopf durchgespielt, mögliche Folgen bedacht, einen möglichen Plan B überlegt und vielleicht sogar aufgeschrieben zu haben nimmt nicht nur dem Szenario den Schrecken, sondern öffnet oft auch neue Türen, neue Möglichkeiten, an die man ohne diese Überlegungen überhaupt nicht gedacht hätte.
Dabei spielt es keine Rolle, ob man das „Kopfkino“ im Privaten oder auf Gemeindeebene durchspielt: Veränderungen in der Firma auf Grund der Wettbewerbssituation, der Frankenstärke oder schlicht des neuen Chefs wegen, ein Bandscheibenvorfall oder gravierenderes gesundheitliches Problem, die ungenügenden Prüfungsergebnisse des hoffnungsvollen Nachwuchses, der Einbruch ins Haus sollten genauso durchdacht und durchgespielt werden wie die Überlegung, was wir im Falle steigender Sozialkosten und vielleicht auch einmal Steuern, sinkenden Finanzausgleichs, Probleme mit Jugendlichen oder Banden in der Gemeinde unternehmen können, worauf wir verzichten, wie wir uns engagieren können. Und dies sollte nicht nur der Gemeinderat überlegen, sondern jeder einzelne von uns.
Denn negativ überrascht werden in der Regel die, die rückwärts gerichtet in ihrer eigenen Vergangenheit leben, die Besitzstandswahrung über Anpassung stellen, die glauben, Wohlstand und Sicherheit für alle, oder zumindest für sie selber, sei ein gottgegebenes, möglichst noch einklagbares Gut.
Die jetzt lebenden Generationen haben es in der Regel nicht anders erlebt: es ist eigentlich immer nur aufwärts gegangen. Dass es schon zunehmend schwierig wird, auch nur den aktuellen Stand zu halten, kann man an den Kantonsfinanzen ebenso ablesen wie an der zunehmenden Kriminalität oder der verglichen mit früher immer schwierigeren Lehr- und Arbeitsstellensuche. Oder daran, dass Eltern, die früher immer wollten, dass es ihren Kindern besser gehen möge als ihnen, heute in erster Linie hoffen, ihre Kinder mögen auch nur annähernd den Wohlstand erreichen und halten können, den sie selber haben.
Hört sich das jetzt furchtbar negativ an, so als Botschaft zum Jahreswechsel, wo man doch lieber durch die rosa Brille in die Zukunft schaut? Ja, natürlich, und das soll es auch! Und gibt es einen Schuldigen dafür (neben dem Überbringer schlechter Nachrichten, den man schon im alten Rom mit Vorliebe enthauptet hat, auch wenn das am Problem nichts geändert hat, es fühlte sich aber gut an)?
Ja, natürlich gibt es den Schuldigen. Und nicht nur einen: tausende! Die EU sowieso, den IS, ausserdem die Amerikaner, die Russen, Angela Merkel, die SVP natürlich, oder die Linken, je nach persönlichem Standpunkt, den Nachbarn und noch viele mehr. Nur: das alles hilft nichts! Ob wir den Schuldigen für ein Problem zu kennen glauben oder nicht hat nur insofern eine Auswirkung, als wir mögliche Entwicklungen besser einschätzen können, wenn wir ihre Ursache kennen. Mehr nicht.
Was also sollten wir an guten Vorsätzen mit ins neue Jahr nehmen, damit es für uns persönlich, aber auch für unsere Gemeinde ein Gutes 2016 wird?
Am besten: gar keine. Die guten Vorsätze halten bekanntlich kaum ein paar Tage, es ist also verschwendete Zeit, sich damit zu befassen.
Besser als gute Vorsätze ist es, sich zu Beginn dieses neuen Jahres einmal hinzusetzen, mit Bleistift, Block (oder iPad) und einem entspannenden Getränk, und die möglichen Szenarien zu skizzieren, die uns persönlich, aber auch die Familie, die Gemeinde, den FC oder den Rest der Welt im neuen Jahr (oder später) treffen könnten, im Positiven wie im Negativen. Und dazu zu überlegen, wie man im Falle eines Falles damit umgehen könnte.
Denn damit kommt man aus zwei Gründen gut ins neue Jahr: zum einen wird einem bei so einer Übung bewusst, wie gut es uns eigentlich geht, was wir alles zu verlieren haben (das alleine ist schon besser als die rosa Brille, da die Hoffnung auf zukünftige Besserung in der Regel nicht lange anhält und früh enttäuscht wird).
Zum anderen sorgen diese Gedankenspiele, diese Szenarien, die man im Kopf oder mit dem Partner macht, nicht nur für ein gutes Gefühl, sondern auch für eine tatsächlich bessere Ausgangslage und eine positive Lebenseinstellung, wenn es tatsächlich einmal nicht so läuft, wie man das gerne hätte. Und nicht nur das: sie nehmen Schicksalsschlägen und aufkommenden Problemen auch viel von ihrem Schrecken, lassen schneller neue Hoffnungen, neue Ziele, neue Lösungen zu.
Glück, das man sich ja zum Jahreswechsel häufig wünscht, ist eine sehr subjektive Wahrnehmung. Manche von uns empfinden es als Glück, alleine schon einigermassen sorgenfrei und ohne schwere Krankheit leben zu dürfen. Andere fühlen sich ständig benachteiligt, streben nach Macht oder Reichtum, und merken überhaupt nicht, wie das Leben an ihnen vorbeizieht, wie Ehrgeiz, Habgier und Geltungsdrang, aber auch Selbstmitleid, nicht nur die Seele, den Charakter beschädigen, sondern in der Regel auch das Gegenteil dessen bewirken, was man eigentlich erreichen möchte.
Eine möglichst realistische Einschätzung, auch wenn sie manchmal nicht ganz schmerzfrei ist, kann hier helfen. Besser noch, wenn man sie nicht nur zum Jahreswechsel macht, sondern jeden Monat, manchmal auch jeden Tag, morgens beim Aufstehen, abends vor dem Einschlafen, je nach persönlicher Neigung:
Mache ich das, was ich mache, richtig?
Und mache ich überhaupt das Richtige?
Sich selber, die Umgebung, die Situationen immer wieder zu hinterfragen, immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, und notfalls, wenn eine Antwort einmal „Nein“ lautet, auch zu handeln, das ist ein wesentliches Element dessen, was wir im Ergebnis als Glück, als Selbstbestimmung, aber auch als Sicherheit selber auslösen können. Denn in weiten Teilen ist Glück nicht etwas, was einem passiert. Glück ist fast immer eine Frage der Lebenseinstellung, der Selbsteinschätzung, der persönlichen Erwartung. Und natürlich auch des Umgangs mit seinen Mitmenschen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein glückliches neues Jahr. Mögen Sie und wir auf alles, was uns noch blüht, gut vorbereitet sein und ruhig und überlegt handeln können, mögen wir die schönen Dinge des Lebens erkennen und geniessen, die weniger schönen bewältigen können.
Vor allem aber wünsche ich Ihnen eines: Gesundheit.
Holger Wahl