Wärmeverbund, zum 2.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Wärmeverbund über eine extrem optimistische Kalkulation finanziert werden soll, deren mögliche und wahrscheinliche Mehrkosten letzten Endes wir Steuerzahler werden berappen müssen. Die Grössenordnung der Risiken des Projektes liegt in einem Bereich, der im schlimmsten Fall für die Burgerkorporation ein existentielles Risiko, für die Gemeinde gravierende Einschränkungen ihres Handlungsspielraumes bis hin zu Steuererhöhungen bedeuten kann.

Fehlende Reserven, optimistische Annahmen, unterschlagene Nebenkosten belasten einen Wärmepreis, der sowieso schon nur schwer mit umweltfreundlicheren Alternativen wie Wärmepumpen konkurrenzieren kann.

Dazu kommt, dass die Gemeindeversammlung einem Betrag von 1.7 Millionen Franken für ein Projekt zustimmen soll, dass unter der Annahme gerechnet wurde, dass rund 20 private Liegenschaften  zusätzlich zu den Gemeindeliegenschaften und dem Röschenzer Hof samt umliegender Gebäude anschliessen würden, ohne dass es entsprechende Interessenten, von verbindlichen Zusagen ganz zu schweigen, gibt. Womit die Gemeinde alleine in diesem Punkt das Risiko für jährliche Kosten von über 64’000 Fr. übernimmt, die nicht oder nicht sofort gedeckt werden können. Es fehlen in der Kalkulation die dann notwendigen Start-Reserven für das Projekt, die wiederum zu höheren Kapitalkosten und damit einem höheren Wärmepreis führen würden.

Gleichzeitig ist der Standort unklar: neben wechselnden Aussagen zwischen Dorfkern (altes Feuerwehrmagazin) und einer Lage zwischen Schule und dem Hof von Dietmar Schnell (letzteres ist wohl der aktuelle Stand) ist nach aktuellem Kenntnisstand unklar, ob das Kulturland von Dietmar Schnell überhaupt für einen Wärmeverbund eingesetzt werden kann. Umgekehrt ist beim alten Feuerwehrmagazin durch die Lage mitten im Dorf mit entsprechenden Einsprachen und Verzögerungen zu rechnen, deren finanzielle Folgen nirgendwo in der Kalkulation resultieren.

Aus diesen und weiteren nachfolgend aufgeführten Gründen muss man als für seine Gemeinde verantwortlich denkender Einwohner wie wohl auch als Burger zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass das Projekt eine existentielle Gefährdung unserer Gemeindefinanzen darstellt und abgelehnt werden muss, zumindest in dieser derzeit bekannten und kommunizierten Form (die ja für die Versammlung massgeblich ist, da andernfalls kein gültiger Beschluss gefasst werden kann).

Die Kirchgemeinde wurde separat informiert, sie hat eine Teilnahme am Verbund mit Kirche und Pfarrhaus einstimmig abgelehnt. Sie kann sich das finanzielle Risiko und die Kosten, die mit dem  Anschluss an den Wärmeverbund verbunden sind, schlicht nicht leisten. Die Begründung dazu ist auf der Homepage der Kirchgemeinde zu finden unter www.kircheroeschenz.ch.

Projektvorstellung

An der Gemeindeversammlung vom 15. Juni 2017 wird über einen Kredit für die Erstellung eines Wärmeverbundes in der Gemeinde abgestimmt. Dabei soll die Gemeinde mit rund 1.7 Mio. Fr. das Leitungsnetz finanzieren, während die Burgerkorporation die eigentliche Heizung mit rund 1.4 Mio. Fr. finanziert (vorbehaltlich der Zustimmung durch die Burgerversammlung).

Die Kalkulation und die Eckwerte des Projektes wurden in einer Vielzahl von Varianten, was Umfang des Verbundes, Art und Lage der Heizung betrifft, an einer Infoveranstaltung am 23. März 2017 vorgestellt. Fachlich wurde die Evaluation von Fa. GUNEP, Eugen Koller, sowie Tobias Meier von EPL begleitet, vorgestellt wurde sie von Stefan Finckh. Die Unterlagen dazu sind auf der Homepage der Gemeinde nachzulesen.

Gemäss der Ankündigung der Traktanden im Mattegumper wird die Investition in eine Anlage mit 900 kW Heizleistung beantragt, nach den Unterlagen bedeutet das, dass mit 200 kW privaten Bezügern gerechnet wird, was mindestens 20 privaten Liegenschaften, vorzugsweise Altbauten, in max. 20 m Entfernung zur Hauptleitung entspricht.

Hintergrund

Dies ist bereits die zweite Evaluation zu einem Wärmeverbund. Die erste Arbeitsgruppe, die ich leiten durfte, war bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass ein umfassender Verbund auf Grund der geringen Bebauungsdichte und der langen Wege nicht wirtschaftlich finanzierbar ist. Da der Verbund damals hätte privatwirtschaftlich organisiert werden sollen und auch auf eine ausreichende Anzahl privater Anschliesser angewiesen wäre, wurde das Projekt mangels Interesssenten, der hohen Kosten und des finanziellen Risikos wegen als nicht realisierbar eingestellt.

Der neue Vorschlag setzt primär auf öffentliche Liegenschaften: durch den Zukauf der Karrer Küchen Gebäude und der Zusage des Röschenzer Hofes mit dem dahinterliegenden Neubau sowie der Oberdorfstrasse 10 kommt ein etwas grösseres Volumen zusammen, so dass zumindest das „Kernvolumen“ höher ausfällt als in der ersten Berechnung.

Dennoch ändert auch dieses Modell an den langen Wegen und der fehlenden Dichte an Abnehmern im Dorf nichts, zudem werden hohe finanzielle Risiken elegant auf den Steuerzahler abgewälzt, und dies schon bei einer sehr optimistisch gestalteten Kalkulation.

Nachfolgend sollen nur kurz die Punkte angesprochen werden, die aus meiner Sicht in ihrer Gesamtheit eine Ablehnung des Projektes definitiv erzwingen, soll die Gemeinde wie vor allem die Burgerkorporation langfristig finanziell auf einer soliden Basis weiter existieren können. Grundlage der Bewertung sind die Vorstellung des Projektes durch die Arbeitsgruppe vom 23. März, die Unterlagen dazu von der Gemeinde-Homepage sowie ein separates Informationsgespräch, dass die Arbeitsgruppe Wärmeverbund mit Vertretern der Kirchgemeinde hatte.

Wärmebezüger: wer zu spät kommt, der bestraft den Steuerzahler

Im Gespräch mit der Kirchgemeinde wurde von Seiten der Arbeitsgruppe mehrfach festgehalten, dass der Verbund ganz klar nur mit zusätzlichen privaten Bezügern überhaupt wirtschaftlich realisierbar sei. Neben den sowieso schon im „Basisblock“ enthaltenen Gebäuden um den Röschenzer Hof gibt es jedoch meines Wissens noch überhaupt keine verbindlichen (!) Zusagen privater Interessenten, die nahe am geplanten Leitungsverlauf liegen. Im Informationsgespräch mit der Kirchgemeinde wurde uns zudem zugesichert, dass wir nicht sofort teilnehmen müssten, auch ein Anschluss in 2, 3 oder gar 5 Jahren wäre selbstverständlich möglich.

Was passiert aber, wenn die fehlenden 200 kW Heizleistung erst in 2, 3 oder 5 Jahren, oder auch gar nicht dazukommen? 200 kW, das sind mindestens 20 Gebäude, vorzugsweise Altbauten, die zudem noch nahe, ca. 20 m, an der Hauptleitung liegen müssen, damit zusätzliche Leitungskosten den Leistungsgewinn nicht auffressen.

Gemäss der vorgestellten Kalkulation kostet die kWh Wärme bei der Lösung mit rund 20 zusätzlichen privaten Bezügern (Grundbedarf + 200 kW Heizleistung) 21.2 Rp, inkl. Anschluss- und Jahresgrundgebühr (die ja auch nicht bezahlt werden, solange niemand anschliesst).

Wenn von z.B. 20 geplanten zusätzlichen Bezügern 16 erst drei Jahre später anschliessen, müssen 160 kW Heizleistung zusätzlich über 3 Jahre finanziert werden. 160 kW Heizleistung entsprechen 304’000 kWh Wärme pro Jahr, oder umgerechnet  64’450.00 Fr. pro Jahr, die dann fehlen. Über nur 3 Jahre ist das ein Defizit von 193’000.00 Fr.

Wer zahlt diesen Betrag?

In der Kalkulation ist keine Reserve für ein „Start-Defizit“ vorgesehen. Im ersten Modell hatten wir genau dafür CHF 500’000 eingerechnet, da klar ist, dass 3-5 Jahre überbrückt werden müssen, bis alle Interessenten tatsächlich angeschlossen haben und Beiträge leisten.

Aber: dieser Betrag muss natürlich vorfinanziert werden und fliesst als „Startkapital“ in den Investitionsbedarf mit ein. Das wiederum sorgt für höhere Kapitalkosten, damit auch für einen höheren Wärmepreis, und zwar über den gesamten Amortisationszeitraum (!). Kosten, die die sowieso schon teure Verbundlösung gegenüber Alternativen noch weiter  in die roten Zahlen treiben.

Ohne dieses Startkapital, und vor allem ohne verbindlich (!) unterschriebene, von Beginn an anschliessende Wärmebezüger fehlen in der Kalkulation, der wir an der Gemeindeversammlung zustimmen sollen, also schon mindestens 193’000 Fr. nur in den ersten 3 Jahren. Und das auch nur, wenn der Rest der Kalkulation stimmt.

Oder umgekehrt: können wir überhaupt einem Projekt zustimmen, zu dem es noch nicht einmal die notwendigen Abnehmer gibt?  Darf der Gemeinderat unsere Steuergelder nach dem Prinzip Hoffnung verbauen, ohne dass überhaupt die Amortisation über eine ausreichende Zahl Teilnehmer gesichert ist, gleichtzeitig in der Kalkulation aber die entsprechenden Rücklagen vollkommen fehlen?

Zukünftige Löcher stopfen

Nehmen wir mal an, der Souverän würde dennoch den Auftrag erteilen. Der Bau gelingt, die Heizung  heizt, es dauert jedoch noch 3 und mehr Jahre, bis zumindest ein Teil der eingerechneten zusätzlichen Bezüger angeschlossen sind, kurz: das Geld, das Anschlussgebühren, Jahresgrundgebühr und Wärmekosten hereinspülen, reicht hinten und vorne nicht.

Was nun?

Ganz einfach: Du und ich, wir Steuerzahler, kommen für den Fehlbetrag auf. Wie das? Der Verbund läuft doch über eine Spezialfinanzierung, wie das Wasser, und gemäss Gesetz muss diese sich mittelfristig selbst tragen, ohne Zuschüsse!

Genau. Das Problem ist nur, dass wir Steuerzahler als „Besitzer“ der Gemeindeliegenschaften eben doch Teilhaber am Verbund sind, auch wenn niemand von uns auch nur eine halbe kWh Wärme bezieht. Zahlen müssen wir trotzdem. Und das funktioniert folgendermassen:

An der Information des Kirchenrates wurde uns mehrfach mitgeteilt, dass private Teilnehmer vertraglich einen Festpreis mit Indizierung zugesichert bekämen. Ein Röschenzer Hof, eine Kirchgemeinde oder ein anderer privater Teilnehmer würde daher einen festen Betrag pro kWh zahlen, der nur auf Basis eines Index (wie bei den Wohnungsmieten) angepasst werden kann.

Fallen die Kosten des Verbundes auf Grund zu optimistischer Annahmen, fehlender Abnehmer, fehlenden Anlaufkapitals, zu hoher angenommener Wärmeleistungen oder schlicht mehrerer relativ warmer Winter höher aus als geplant, können die Anschluss-, Grund- und Wärmegebühren die laufend anfallenden Fixkosten dann also nicht decken, bleibt ein Defizit.

Kurzfristig deckt das die Spezialfinanzierung: der Begriff „mittelfristige Deckung“ und die Finanzierung über die Gemeinde lassen die Zahlung aller anfallenden Kosten über einen längeren Zeitraum zu, ohne dass der Gemeinderat einen Nachtragskredit stellen müsste oder die Gemeinde in Konkurs gehen könnte.

Irgendwann müssen natürlich die Kosten wieder hereinkommen („mittelfristig“), also muss dann zwangsläufig der Wärmepreis und / oder die Jahresgrundgebühr angehoben werden. Da dies bei den privaten Bezügern nicht oder nur bedingt möglich ist, da sie vertraglich geschützt sind, werden alle Mehrkosten auf die Gemeindeliegenschaften umgelegt. Und wer zahlt diese Mehrkosten? Richtig: der Steuerzahler, also wir.

Damit zahlen wir aber nicht nur die Mehrkosten der Gemeindeliegenschaften: wir zahlen als Steuerzahler die Mehrkosten, die von den privaten Abnehmern verursacht werden, auch noch mit. Wir finanzieren also die Heizung aller anderen privaten Bezüger mit, weil diese ja nicht belastet werden können, wenn sie Festpreis-Verträge eingegangen sind.

Geben wir dem Gemeinderat für den Bau des Verbundes grünes Licht, ohne dass alle kalkulierten Abnehmer verbindliche Verträge eingegangen sind, die Abnahme der kalkulierten Menge sichergestellt ist, die Kalkulation selber vom Zins bis zu den Grabungs-, Anschluss- und sonstigen Nebenkosten geprüft und  gesichert sind, vor allem aber auch das Land für die Heizzentrale definitiv zur Verfügung steht, riskieren wir genau das: dass die ganze Gemeinde ein Prestigeprojekt, ein Denkmal finanziert, das im besten Fall 20-30 Abnehmern nützt, uns jedoch für die nächsten 40 Jahre Steuergelder kostet, ohne dass ein einziger Steuerzahler und Einwohner etwas davon hat. Und wir reden nicht von Kleinbeträgen: wir reden von Fehlbeträgen im 6- bis 7-stelligen Bereich, die in den kommenden 40 Jahren die Gemeindekasse und damit noch unsere Kinder und Enkel belasten werden.

Die Standortfrage

Als Standort der Heiz-Zentrale waren abwechselnd ein Stück Kulturland bei Dietmar Schnell hinter der Primarschule im Gespräch, alternativ das den Burgern gehörende Land des alten Feuerwehrmagazins in der Gasse mitten im Dorf. An der Präsentation im Mehrzweckraum hiess es noch bei Dietmar Schnell, beim Gespräch mit dem Kirchenrat war klar, dass man die Zentrale nur beim alten Feuerwehrmagazin realisieren könne, und nun ist es offenbar wieder bei Dietmar Schnell.

Egal wie, im Grunde kann man zwischen Pest und Cholera entscheiden:

Das Land von Dietmar Schnell ist Kulturland. Über dessen Nutzungsänderung hat nicht Liestal (wie am Infoabend behauptet) zu entscheiden, sondern das Landwirtschaftliche Zentrum Ebenrain. Und hier sind die Regeln relativ einfach: Kulturland kann schlicht nicht einer anderen Nutzung zugeführt werden. Ganz einfach. Es sein denn, und da liegt die einzige Möglichkeit, es liege ein ausserordentliches Interesse der Allgemeinheit vor. Ob aber im Fall einer Heizzentrale, die im besten Fall 20 – 30 Gebäuden im Dorf zu Gute kommt, ein Interesse der Allgemeinheit nachgewiesen werden kann, darf bezweifelt werden.

Die andere Variante, die Heizzentrale mitten in unser Dorf zu setzen, dazu noch in die Kernzone, mag technisch einfacher sein, dafür muss man sich fragen, wie sinnvoll es heutzutage ist, ohne Not Rauchgasemissionen mitten in eine Gemeinde zu setzen.

Jede Verbrennung erzeugt Abgase, Feinstaub, Stick- und  Schwefeloxide, egal wie viele hervorragende Filter eingesetzt werden. So wenig, wie es den von VW propagierten „sauberen Diesel“ gibt, so wenig kommt jemals Alpenluft aus einem Kamin. Im Winter, wenn geheizt wird und Inversionslagen sowieso schon für schlechte Luft sorgen, tun wir vor allem unseren Kindern wie unseren Alten alles andere als einen Gefallen, wenn wir zusätzlich noch Abgase und Feinstaub mitten im Dorf erzeugen.

Abgesehen davon dürfte der Standort für Einsprachen sorgen, die das Projekt über einen längeren Zeitraum verzögern dürften, was letzten Endes auch Kosten zur Folge hat, die nirgends kalkuliert sind.

Es stellt sich wie bei den fehlenden Abnehmern die Frage: wie kann der Gemeinderat unsere Zustimmung zur Ausgabe von 1.7 Millionen Franken verlangen, wenn noch nicht einmal die rechtlichen Voraussetzungen für den Standort abschliessend geklärt sind?

Kapitalkosten

Die gesamt zu finanzierenden Kapitalkosten im vorliegenden Vorschlag belaufen sich gem. Traktandum der Einladung auf CHF 3.1 Millionen Franken (1.7 von Seiten der Gemeinde, 1.4 von Seiten der Burgerkorporation). Auch wenn wir nur über 1.7 Millionen abstimmen, so beträgt der Gesamtbetrag, der über die Spezialfinanzierung und die Wärmebezüger bedient werden muss, 3.1 Millionen Franken.

Anders als eine Liegenschaft, die notfalls wieder verkauft werden kann, sind diese 3.1 Millionen weitgehend wertlos in dem Moment, in dem die Anlage erstellt wird: der Entscheid kann nie mehr rückgängig gemacht werden, die Leitungen und Heizzentrale sind praktisch nicht verkäuflich, sollten sie doch nicht so rentieren wie gewünscht. Im Gegenteil: da dann von Menschen bewohnte Liegenschaften beheizt werden, die man nicht einfach abschalten kann, muss der Verbund in jedem Fall weitergeführt werden. Mehrkosten müssen dann, ob es gefällt oder nicht, getragen werden.

In unserem Fall kommt dazu, dass die Finanzierung über die Gemeinde ein Fass ohne Boden darstellt: anders als bei einer GmbH, die halt irgendwann pleitegeht,  können unsere Fehlbeträge über die Wärmepreise der Gemeindeliegenschaften auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Irgendwann trifft es auch einmal die anderen Wärmebezüger, und irgendwann wird dann auch einmal über eine Steuererhöhung in der Gemeinde gesprochen werden müssen, aber zu diesem Zeitpunkt ist es zu spät: der Verbund wird dann um jeden Preis am Leben gehalten werden müssen.

Einzeln heizen kostet doch aber auch Geld?

Werden die Gemeindeliegenschaften einzeln beheizt, fallen natürlich auch Kosten an. Überschlägig verhalten sich jedoch alleine die Kapitalkosten wie folgt:

Total Wärmverbund CHF 3’100’000

 

Schule Schnitzelheizung 600’000
Kindergarten Wärmepumpe 45’000
Gemeindehaus Wärmepumpe 75’000
Karrer Küchen Schnitzelheizung 250’000
Total Einzel-Heizungen CHF 970’000

 

Dabei sind die Einzelheizungen äusserst grosszügig gerechnet. Zudem ist beim Kindergarten nicht einmal berücksichtigt, dass eine gemeinsame Wärmepumpe für Kindergarten und Pfarrhaus (und vielleicht sogar die Kirche) den Anteil für die Gemeinde, d.h. für den Steuerzahler, noch weiter senken würde.

Natürlich hängen am Verbund mehr Wärmebezüger als an den Einzel-Lösungen.

Nur: im Verbund haften wir als Steuerzahler letzten Endes für die Gesamt-Lösung, für 3’100’000 Franken, auch für die privaten Bezüger, vor allem für die, die es dann doch nicht oder erst sehr viel später gibt. Vor allem, wenn mit diesen feste Wärmepreise vereinbart werden, weil dann alle Defizite und alle nicht kalkulierten Ausgaben langfristig vollständig zu Lasten des Steuerzahlers gehen. Was passiert zudem, wenn ein privater Bezüger insolvent wird? Wenn eine Liegenschaft verkauft werden soll, der Käufer aber nicht vom Wärmeverbund abhängig sein will?

Die Burgerkorporation sollte ähnliche Bauchschmerzen entwickeln, wenn sie sich auf einen festen Wärmepreis einlässt: wird die Wärme nicht verkauft, die kalkuliert wurde (wegen fehlender privater Anschliesser, wegen zu hoch angesetzter Heizleistungen, wegen zu warmer Winter, oder weil der Zins nach den ersten zehn Jahren doch plötzlich bei 3.5 % liegt und nicht bei 1.5%, wie vom Finanzchef angenommen), dann erzeugt jeder Tag, jeder einzelne Tag ein Defizit. Und genau wie die Gemeinde kann auch die Burgerkorporation die Heizung nicht einfach stilllegen und verkaufen: es muss geliefert werden, und die Schulden müssen über die Abschreibungszeiträume bedient werden. Der Verbund wird so auch für die Burgerkorporation, die ja wie die Kirchgemeinde kaum Möglichkeiten der Einnahmen-Steigerung hat, ein Fass ohne Boden. Ein Fass, dass schnell existenzbedrohend werden kann, wenn für den Bau ein Betrag in  Höhe des gesamten Eigenkapitals der Korporation eingesetzt werden soll.

Langfristig gibt es im negativen Fall nur zwei Möglichkeiten: entweder kauft die Gemeinde den Burgern die Wärmezentrale ab, oder sie akzeptiert einen höheren Wärmepreis, der dann aber nur auf die Gemeindeliegenschaften umgelegt werden kann, da die privaten Anschliesser vertraglich an Festpreise gebunden sind.

In beiden Fällen sind es am Ende die Steuerzahler, die die Mehrkosten der Heizung übernehmen, und zwar aller Heizungen, auch die der privaten Nutzer. Alle Steuerzahler, wohlgemerkt, egal ob Burger oder gewöhnlicher Einwohner.

Zins

Dass wir uns im Zusammenhang mit dem Wärmeverbund auffallend häufig das Mantra unseres Finanzchefs anhören durften, Geld koste nichts, man müsse die gute Gelegenheit nutzen, die Zinsen seien so tief wie nie, die Gemeinde könne Geld für unter 0.5% Zins beziehen, das erstaunt nicht, wenn man die Investitionskosten des Verbundes mit denen der Einzel-Lösungen vergleicht.

Vergleichen wir einmal die jährlichen Zinsen und Ammortisation bei verschiedenen Zinssätzen (über den Annuitätsfaktor wird der jährliche Betrag für Zins und Amortisation bei einer vorgegebenen Laufzeit und Zins bei gleichbleibenden Monatsraten berechnet):

 

Zins und Amortisation pro Jahr bei 40 Jahren Laufzeit

Variante 0.5 % 1.0 % 1.5 % 2.0 % 2.5 % 3.0%
Annuität 0.02765 0.03045 0.03343 0.03656 0.03984 0.04326
Wärmeverbund CHF/Jahr 85’701 94’412 103’624 113’323 123’492 134’113
Einzellösungen CHF/Jahr 26’816 29’542 32’424 35’459 38’641 41’965

 

Die ersten 10 Jahre lassen sich heute vertraglich mit der Bank festlegen, dort sind 0.5 zumindest kurzfristig noch realistisch.

Die folgenden 30 Jahre sind aus heutiger Sicht jedoch vollkommen unplanbar. Anzunehmen, man könne für die Jahre 2027 bis 2057, wenn die meisten von uns schon pensioniert oder sogar gestorben sein werden, weiterhin mit 0.5 oder 1.5 % Zins kalkulieren, das zeugt von wahrhaft unbegrenztem Optimismus, von absolutem Leichtsinn oder vollkommener Unkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Die Differenz von 1.0 zu 3.0 % in der Zins-Annahme bedeutet 40’000 Fr. pro Jahr, die zusätzlich gedeckt werden müssen und fehlen, wenn mit zu tiefen Zinssätzen kalkuliert wird.

Wenn man mit einer minimalen Sicherheit kalkuliert, dann muss man für die darauffolgenden 30 Jahre einen Satz von mindestens 3% annehmen (und das ist noch optimistisch gerechnet).

Für die gesamte Zinslast bedeutet das, dass die Gemeindekasse am Ende über die nächsten 40 Jahre für folgende Beträge geradestehen muss (da die Annuität in den ersten 10 Jahre kleiner ist, steigt der Betrag in den folgenden 30 Jahren, die Werte sind mit spezifischen Annuitätsfaktoren gerechnet):

 

Variante 10 Jahre à 0.5% Zins 30 Jahre à 3.0% Zins TOTAL Zins und Amortisation CHF
Wärmeverbund 857’011 3’433’069 4’290’080
Einzellösungen 268’161 1’074’218 1’342’379

 

Natürlich sind am Wärmeverbund auch private Verbraucher beteiligt. Schaut man sich die Heizleistungen gemäss der Kostenanalyse aber an, dann bezieht die Gemeinde ziemlich genau 40% der Wärme. Sie ist also an Amortisation und Kapitalkosten mit 1.7 Millionen Franken beteiligt, dazu kommt noch das Risiko, die Kosten für weitere bis zu 950’000 Fr. tragen zu müssen, wenn die geplanten privaten Nutzer nicht oder im nicht erwarteten Umfang teilnehmen, oder via Insolvenz ausfallen. Insgesamt also Amortisations- und Kapitalkosten, die alleine für die Gemeindeliegenschaften und damit für die Gemeindekasse rund 400’000 Fr. höher liegen als für entsprechende Einzellösungen.

Die Firma GUNEP hat in ihrer Expertise sinnvollerweise mit 3.0 % Zins über die gesamte Laufzeit des Projektes kalkuliert, dieser Wert wurde bei der Informationsveranstaltung sowie in den Unterlagen auf der Gemeindeseite veröffentlicht und ist damit auch Grundlage der Wärmekostenrechnung, allfälliger Vergleichsrechnungen wie auch der Abstimmung an der Gemeindeversammlung.

Fazit

Am Grundproblem des Wärmeverbundes hat sich seit der ersten Untersuchung nichts geändert: unser Dorf ist zu weitläufig, zu wenig dicht bebaut, so dass die Kosten der Leitungen selbst bei extrem optimistischer Einschätzung der Grabungskosten jede Kalkulation zunichtemachen.

Ohne die verbindliche Zusage aller Abnehmer der kalkulierten Wärmemenge, ohne einen vertraglich gesicherten und rechtlich klaren Bauplatz, ohne die Möglichkeit, den Wärmepreis für ALLE Bezüger bei Bedarf anpassen zu können, ist das Projekt Wärmeverbund ein Risiko, das für die Burgerkorporation eine existentielle Bedrohung, für die Gemeinde eine extrem langfristige Einschränkung des finanziellen Handlungsspielraums bis hin zu der Notwendigkeit von Steuererhöhungen ergibt, notfalls sogar den Kauf der Heizzentrale durch die Gemeinde, wenn die Burgergemeinde deren Betrieb nicht mehr sicherstellen kann.

Dieses Szenario ist nicht an den Haaren herbeigezogen: eine Vielzahl von kommunalen Wärmeverbünden ist bereist diesen Weg gegangen, z.B. in der Gemeinde Flaach (ZH). Dort wurde der kommunale Wärmeverbund schliesslich an ein Konsortium lokaler Firmen verkauft, die zwangsläufig die Wärmepreise für die Bezüger erhöhen mussten, um überhaupt überleben zu können. Das, nachdem die Gemeinde selber bereits eine halbe Millionen Franken nachschiessen musste.

Unabhängig davon darf ein Betrag dieser Grössenordnung grundsätzlich erst freigegeben werden, wenn die Unwägbarkeiten geklärt sind: verbindliche (!) Zusagen der privaten Interessenten sind genauso Voraussetzungen wie die verbindliche und klare Festlegung des Bauplatzes, nach (!) Klärung aller rechtlichen Hürden. 200 kW auf Verdacht in die Rechnung zu nehmen, für die es zum Zeitpunkt der Abstimmung noch nicht einmal Interessenten gibt, ist mehr als unverantwortlich.

Eine Entscheidung dieser zeitlichen und finanziellen Tragweite, die noch unsere Enkel werden finanzieren müssen, kann und darf nicht aus der Sicht des Optimisten betrachtet werden. Natürlich wäre es schön, wenn alles wie gewünscht funktionierte, Interessenten innerhalb der Planungszeit noch verbindliche Verträge unterschrieben und die Klimaerwärmung bei uns zu kälteren und längeren Wintern führen würde, so dass mehr Wärme als geplant verkauft werden könnte.

Ein Entscheid dieser Tragweite muss jedoch auch einer negativen Prüfung statthalten. Und die Randbedingungen, unter denen die Versammlung dem Projekt zustimmen soll, enthalten bereits so viele Unwägbarkeiten, dass Burger und Einwohner mit Verantwortung für unsere Gemeinde, für unsere Kinder und Enkel dem Projekt in der derzeitigen Form keinesfalls zustimmen dürften.

 

Zu meiner Person:

Ich bin von Beruf Ingenieur, Fachrichtung Holztechnik, und beschäftige mich seit rund 30 Jahren mit industriellen Prozessen, der Verbindung zwischen IT und Auftragsabwicklungs- und Produktionsprozessen sowie mit Wärmebrücken- und U-Wert-Berechnungen im Bau. Kostenrechnung, Investitionsrechnungen und Risikoanalysen teils umfassender Investitionen in technischen Bereichen sind dabei regelmässig Teil meiner Projekte.

An dem Ergebnis meiner Kalkulationen hängen Unternehmen und damit Arbeitsplätze. Ich kalkuliere daher grundsätzlich konservativ: eine Investitionsrechnung muss immer auch dem worst case standhalten, die Summe der möglichen negativen Entwicklungen. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass alle Vorkehrungen, die man vor der Freigabe eines Projektes treffen kann und muss, zuverlässig und verbindlich erledigt sind. In unserem Fall wären das beispielsweise die Zusage der notwendigen Interessenten oder die verbindliche Klärung des Bauplatzes. Ohne diese Massnahmen stimmt kein Kunde, kein Investor einem Projekt zu, und auch in der Gemeinde sollte dies so gehandhabt werden, zumindest aus der Sicht des Finanzverantwortlichen.

 

Holger Wahl

 

 

 

 

 

 

4 Comments

  1. Kilian Corbat

    Eine fachlich einwandfreie, sachliche, interessante und aufschlussreiche Arbeit.

    freundliche Grüsse

    Kilian

  2. Gerster Ramon

    Hallo Holger sind bei deinen Berechnungen die Lebensdauer und der Ersatz des Ofens schon mit eingerechnet?? Bei einer Lebensdauer von optimal 10-15 Jahren ist das nicht unwesentlich Cgruss Ramon

  3. Holger Wahl

    Hallo Ramon,

    das ist zwar nicht „meine“ Berechnung, sondern die der Firma GUNEP, aber die Wiederbeschaffung ist berücksichtigt, indem die Annuität der Öfen auf einen Zeitraum von 20 Jahren gerechnet wurde. Ein Wert von 10 – 15 Jahren, wie Du ihn nennst, würde die Kosten für den Verbund natürlich weiter erhöhen.

    Danke für Deine Rückmeldung und Grüsse,

    Holger

  4. Halbeisen Franz

    Hallo Holger,

    Die geleistete Arbeit und Deine umfassende Analyse für Kosten und Risiken des Projektes Wärmeverbund verdient echte Anerkennung. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Privatperson freiwillig und uneigennützig im Interesse der Gemeinschaft seine Freizeit in diesem Ausmass opfert.

    Nach meiner Meinung lassen Deine Interpretationen sowie Zahlen- und Fakten-Darstellung, sofern sie korrekt sind, eigentlich nur einen logischen Schluss zu.

    Mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht:

    Das Wärmeverbund-Projekt beinhaltet offensichtlich ungewisse und heute noch nicht abschätzbare Risiko- und Berechnungsfaktoren in sich und sieht einen Gesamtkredit von 3,1 Mio. Fr. vor. (1,7 Mio. Franken Einwohnergemeinde und 1,4 Mio. Franken Burgerkorporation)

    Aus meinem persönlichen Umfeld weiss ich, dass sich mindestens 6 ursprüngliche Wärmeverbund-Interessenten aus verschiedenen Gründen als mögliche Anschluss-Kandidaten definitiv verabschiedet haben.

    Anstelle einer Gesamtinvestition des Wärmeverbundes von 3,1 Millionen Franken könnten für die öffentlichen Bauten individuell die idealsten Anschluss-Lösungen für weniger als 1 Millionen Franken realisiert werden. das heisst also für weniger als ein Drittel der Verbundskosten und erst noch ohne nennenswertes Risiko.

    Wieso also ein unnötiges Klumpenrisiko eingehen und mit Gewalt „die Kuh auf’s Glatteis treiben“. Am bitteren Ende bluten immer die Steuerzahler.

    Es braucht in diesem Fall keinen akademischen Hochschulabschluss, um in dieser Sache einen vernünftigen Entscheid zu treffen. Der Wärmeverbund beansprucht eine happige Summe, währenddem wenn überhaupt nur ein geringer Teil der breiten Öffentlichkeit von diesem Projekt profitiert.

    MfG
    Franz Halbeisen

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