Wer dieser Tage den offiziellen Mattegumper der Gemeinde gelesen und sich speziell in die Traktanden der anstehenden Versammlung vertieft hat, der dürfte aus dem Staunen kaum mehr herausgekommen sein: da kommt der Gemeinderat doch tatsächlich zu dem Schluss, man müsse den Steuerfuss der Gemeinde um 2 Prozentpunkte anheben!
Wohlgemerkt: erst vor genau einem Jahr (!) hat die Versammlung, hat der Souverän die Steuern um 4 Prozentpunkte gesenkt!
In anderen Worten: es gibt noch keinen einzigen Rechnungs-Abschluss, absolut keine belegte Grundlage, auf der die Auswirkung dieser Steuersenkung ernsthaft und belastbar (!) beurteilt werden könnte. Zumal erst kurz zuvor das gesamte Rechnungswesen auf HRM2 umgestellt worden war, wo nicht nur die Konten, sondern vor allem die Abschreibungs- und Bewertungsgrundlagen wesentlich verändert worden sind.
Auf welcher Grundlage kommt der Gemeinderat nun zu dem Schluss, man müsse die Steuern schleunigst wieder erhöhen? Vielleicht, weil das Budget für das kommende Jahr so rot aussieht? Weil man dem geneigten Wähler nicht mehr jeden Wunsch von den Augen ablesen kann? Oder vielleicht auch, weil die langjährige Ausgabenfreude des Gemeinderates nun langsam die bitteren Früchte hoher laufender Kosten trägt, vor denen die Revisoren Jahr für Jahr gewarnt haben?
Aber schauen wir uns doch einmal an, wie sich die Verhältnisse Budget zu Rechnung der vergangenen Jahre entwickelt haben im Hinblick auf die budgetierten / erreichten Überschüsse (Werte aus den offiziellen Abschlüssen der Gemeinde Röschenz, herunterzuladen auf www.roeschenz.ch):
Jahr |
Budget |
Rechnung |
Differenz (Mehr-Ertrag gegenüber Budget) |
2010 |
-4’037 |
48’238 |
52’275 |
2011 |
12’760 |
29’094 |
16’334 |
2012 |
-73’629 |
634’604 |
708’233 |
2013 |
-83’255 |
59’620 |
142’875 |
2014 |
-72’447 |
570’075 |
642’522 |
2015 |
63’512 |
258’560 |
195’048 |
2016 |
31’802 |
160’032 |
128’230 |
2017 |
-167’418 |
431’126 |
598’544 |
2018 |
77’721 |
507’049 |
429’328 |
Anmerkungen: erst die einzelnen Rechnungen zeigen das tatsächliche Ausmass unserer Überschüsse, sie liegen noch einmal deutlich höher:
2011 betrug der tatsächliche Mehr-Ertrag gegenüber dem budgetierten Wert CHF 866’334, davon wurden CHF 450’000 für die Heizung des Schulhauses zurückgestellt (die bis heute nicht realisiert wurde), sowie CHF 400’000 für die Sanierung der Pensionskasse.
2013 betrug der effektive Überschuss CHF 773’808. Über eine ausserordentliche Abschreibung des Schulhauses und den Kindergarten wurden CHF 689’188 „entsorgt“, für das Pensionkassendefizit weitere CHF 25’000 auf die Seite gelegt.
2014 wurden wieder CHF 100’000 als Vorfinanzierung für die Sanierung der Deponie Eichmättli zur Seite gelegt.
2017 betrug der Überschuss sogar CHF 831’126, ein Teil davon wurde jedoch wiederum in Rücklagen für die Pensionskasse der Gemeindeangestellten (CHF 150’000) sowie die Umgebungsarbeiten Schulhaus (CHF 250’000) verschoben, um den Ertrag nicht zu hoch aussehen zu lassen.
Wir haben in keinem (!) Jahr einen Ertrag oder gar ein Defizit erwirtschaftet, das heute auch nur ansatzweise den Schluss zuliesse, man müsse die gerade erst beschlossene Steuersenkung umgehend wieder korrigieren. Und das, notabene, ohne dass der Gemeinderat irgendwelche Anstrengungen unternommen hätte, Kosten in grösserem Umfang einzusparen.
Im Gegenteil: die Abweichungen zwischen Budget und Rechnung liegen regelmässig derart weit auseinander und schwanken so stark, dass eine eindeutige Beurteilung kaum möglich ist. Noch weniger auf der Basis eines einzigen, nun vorliegenden Budgets.
Wenn der Souverän im vergangenen Jahr erst beschlossen hat, die Steuern zu senken, dann ist es aus meiner Sicht eine Anmassung unseres Finanz-Verantwortlichen, schon vor dem ersten Rechnungs-Ergebnis mit diesem Steuersatz eine teilweise Rücknahme dieses Entscheides zu fordern.
Die Steuersenkung im vergangenen Jahr war nicht nur eine Reaktion auf die unsinnigen „Gewinne“, die die Gemeinde Jahr für Jahr einfährt. Sie war auch die Aufforderung an den Gemeinderat, mit den Ressourcen der Gemeinde verantwortlicher als bisher umzugehen: wir sind nicht Basel, das sich dank der Chemie jeden nur denkbaren Unsinn leisten kann. Wir sind ein kleines Dorf, dessen Finanzen zum grössten Teil dem Lohn ehrlich arbeitender Einwohner unserer Gemeinde entspringt. Geld, das jeder von uns besser gebrauchen kann, als wenn Prestigeprojekte, Tagesbetreuungen, Zweckverbände und sonstige Denkmäler damit finanziert werden.
Der Steuersatz sollte bleiben, wo er ist. Wenn es im 2019 und / oder 2020 ein Defizit gibt, dann erwarte ich primär vom Gemeinderat, dass er über die Bücher geht, was die Ausgaben- und Projektseite betrifft. Erst nach der Überprüfung und Ausschöpfung der Möglichkeiten in diesem Bereich, nach einer sinnvollen und nachweisbaren Optimierung der Ausgaben, und mit der Erfahrung von 3-4 Rechnungen mit dem neuen Steuersatz kann aus meiner Sicht überhaupt eine Neubewertung, durchaus auch eine Steuererhöhung ins Auge gefasst werden. Zudem muss die Notwendigkeit einer Erhöhung im Detail nachgewiesen werden: einfach nur ein rotes Budget zu produzieren und pauschal zu behaupten, das Geld reiche halt nicht, das ist mehr als dürftig.
Zum derzeitigen Zeitpunkt, und den beschriebenen Voraussetzungen, ist die Forderung nach höheren Steuern nichts anderes als eine Anmassung, eine Geringschätzung dem Souverän gegenüber, der dem Gemeinderat die Grenzen gesetzt hat, die diesem nun offenbar schlicht nicht genehm sind.
Die Gemeindeversammlung zu diesem Thema sowie dem Budget 2020 findet am Donnerstag, 21. November, um 20:00 Uhr in der Aula unseres Schulhauses statt.
Das betroffene Budget kann hier heruntergeladen werden (Link zum Dokument der Gemeinde), der Mattegumper mit der Ankündigung der Steuererhöhung (gut versteckt auf der dritten Seite im Kapitel „Finanzen und Steuern – Reduktion Ertrag CHF 31’900„) findet sich hier (Link zum Dokument der Gemeinde).
Alle alten Rechnungen bis zurück ins 2010 lassen sich über die Suchfunktion auf der Gemeinde-Homepage ebenfalls finden, falls jemand die oben genannten Zahlen überprüfen möchte.
12.11.2019 / Holger Wahl