Kommentar zur Abstimmung über das neue Jagdschutzgesetz am 27.10.2020

von Raphael Thomann

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Am 27. September stimmen wir über das nationale Referendum zum neuen Jagdgesetz ab. Aufgrund der ausserordentlichen Lage in den letzten Monaten, gerieten politische Themen wie dieses verständlicherweise in den Hintergrund. Deswegen war es mir ein grosses Anliegen, meine Meinung in einem öffentlichen Kommentar loszuwerden.

Eine Annahme des neuen Jagdschutzgesetzes (JSG) würde eine Reihe von schwerwiegenden Folgen auf die wildlebenden Tiere in der Schweiz haben, insbesondere die, welche bisher geschützt waren. In den folgenden Zeilen werde ich auf die Punkte des eingehen, welche besonders kritsisch hinterfragt und ausdiskutiert werden müssen, um sich deren Konsequenzen bewusst zu werden.

Das wohl meist umstrittenste aber auch emotionalste Thema beim JSG ist der Wolf. Seit der ersten Rudelbildung im Jahre 2012, hat sich Wolf in vielen Teilen der Schweiz ausgebreitet und der Rudelbestand ist mindestens sieben angewachsen. Obwohl der Wolf im aktuellen JSG nicht namentlich erwähnt ist, da er erst 1995 wieder in die Schweiz zurückkehrte, gibt heute schon Bestimmungen in den Artikeln 7 (Artenschutz) und 12 (Verhütung vor Wildschaden) des JSG die Einzelabschüsse für Grossraubtiere erlauben, sobald sie grosse Schäden angerichtet haben oder Gefahr für den Mensch droht. Das revidierte JSG sieht vor, dass zukünftig schon Massnahmen getroffen werden können, selbst wenn Schaden nur befürchtet wird. Der Anreiz Herdenschutzmassnahmen durchzuführen, wird dadurch vermindert, da nun zukünftig im Regulationszeitraum von September bis Januar die Population aufgrund der ungenauen Gesetzesdefinition beliebig preventiv reguliert werden kann. Herdenschutzmassnahmen haben in den letzten Jahren erreicht, dass trotz kontinuierlichem Anstieg der Wolfspopulation die Anzahl Risse stabil geblieben ist und Schafsherden besser umsorgt wurden, was sich positiv auf das Tierwohl auswirkte. Neu ist auch, dass Abschüsse nicht mehr vom Bund vernehmlasst werden, sondern von den Kantonen. Wenn man bedenkt, dass die Walliser Regierung eine Initiative unterstützt, welche Grossraubtiere im Kanton auslöschen lassen möchte, wäre es falsch die Kompetenz den Kantonen zu überlassen. Eine kantonale Regelung ist auch darum problematisch, weil die verschiedenen Kantone unterschiedlich gut ausgerüstet sind für die Überwachung und Regulierung von geschützten Arten. Unter Druck diverser Interessensgruppen kann dies zu Schnellabschüssen von Tieren folgen. Das Faktum, dass Wildtiere keine Kantonsgrenzen kennen, bringt sie noch mehr in Bedrängnis.

Nebst dem Wolf, der neu explizit als regulierbar gilt, können neu auch andere geschützte Tierarten wie der Luchs, Biber, Graureiher, Fischotter oder Gänsesäger vom Bundesrat ohne Mitentscheid des Parlaments und der Kantone als regulierbar erklärt werden. Je nach Interessensgruppen und Lobbyismus im Bundeshaus könnte dies jederzeit der Fall sein. Dazu kommt, dass weitere bedrohte Arten auf der roten Liste wie der Feldhase und Vögel wie das Schneehuhn oder die Waldschnepfe weiterhin gejagt werden können. Dies geschieht nicht zur Regulation oder wenn sie Schaden anrichten sondern aufgrund der Trophänen-oder Traditionsjagd. In diesem Falle von einem neuen JSG zu sprechen, das den Artenschutz und die Artenvielfalt fördert, ist äussert beschämend, weil entweder deren Schonzeit zu wenig lange ausgedehnt oder es verpasst wurde sie als schützenswert einzustufen. Dass sämtliche Umweltschutzorganisationen die sich seit Jahrzenten für bedrohte Tier-und Pflanzenarten sei es der WWF, Bird Life, zooschweiz, Gruppe Wolf und Pro Natura sowie namentlich promient vertretene Komitees aus den betroffen Berufsgruppen der Jagd, Landwirtschaft und Försterei sich gegen das neue JSG ausprechen, zeigt, dass es neu überarbeitet werden muss.

Wir müssen als der Gesellschaft lernen, die Herausforderung die uns vor allem Grossraubtiere bergen, anzunehmen und Lösungen finden mit ihnen zu leben ohne sie direkt abzuschiessen. Sie sind ein Teil der Natur und sorgen für ein ökologische Gleichgewicht. Beispiele wie der Yellowstone Nationalpark zeigen, dass die Wiedereinführung der Wölfe das ganze Ökosystem auf positive Weise veränderte, in dem er durch die Reduktion des Wildes (Wapiti) und deren ständiger Fluchtbewegung, dem Jungwald und dadurch etliche weitere Tierarten neuen Lebensraum schenkte. Gerade in der heutigen Zeit wo wie einen riesigen Biodiversitäts-und Lebensraumschwund erleben, ist es wichtig die Bevölkerung zu sensibilisieren, dass jedes Lebewesen in seinem Biotop eine unersetzbare Rolle einnimmt und deren Wegfall zu massiven Verschiebungen führt. Wir sind ein Teil der Natur und müssen lernen damit umzugehen und nicht die sie nach unseren Vorstellungen zu gestalten.

Raphael Thomann

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